„Wer Ohren hat zu hören, der höre!“ Unter diesem neutestamentlichen Wort aus dem Lukas-Evangelium (Lk 10,38-42) stand der Ökumenische Gottesdienst auf dem Fürstenfeldbrucker Altstadtfest am 21. Juli 2019. Eingeladen hatte der Christenrat Fürstenfeldbruck/Emmering, rund 150 Christinnen und Christen waren der Einladung gefolgt.
Vera Gedon, die Sprecherin des Christenrates, begrüßte die Gläubigen. Herr Hafner (Pfarrgemeinde St. Bernhard) bat im Eingangsgebet Gott, die Ohren der Menschen zu öffnen, damit sie im Lärm der Welt sein Wort wahrnehmen können. Eine „Minute des Hörens“, der stillen Konzentration auf Gott, schloss sich an. Christian Baku, Priester der rumänisch orthodoxen Gemeinde, ließ uns an orthodoxer Tradition teilhaben und sang den Text aus dem Evangelium: „Als sie weiterzogen, kam Jesus in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn gastlich auf. Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu. Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen zu dienen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen! Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden.“
Es folgte das Lied „Schweige und höre, neige deines Herzens Ohr, such den Frieden.“ In drei kurzen Predigten von Ursula Leitz-Zeilinger (Pfarrerin der Gnadenkirche), Robert Reichmann (Priester der Neuapostolischen Kirche) und Pastoralreferent Johannes Sporrer (Pfarrverband Fürstenfeld, St. Bernhard)
wurde der Bibeltext gedeutet. Man dürfe die als Gastgeberin tätige aktive Marta und die Jesus „nur“ zuhörende Maria nicht gegeneinander ausspielen, Aktivität und Kontemplation seien keine Gegensätze, hieß es bei Leitz-Zeilinger. Man dürfe nicht fragen: Was ist mehr wert? Man müsse vielmehr erkennen, was an der Zeit sei, das Handeln oder das Zuhören. Jeder Mensch habe zu jeder Zeit die Möglichkeit zu einem Rollenwechsel, schloss Reischmann an. Gott gebe jedem die Chance zu einem Neuanfang, auch in scheinbar ausweglosen Situationen. Der Glaube an ihn lasse nichts unmöglich erscheinen. Man müsse nur sein Wort hören und ihm vertrauen. Sporrer verwies auf das manchmal laute, manchmal leise „Knacksen“ in der Gesellschaft, im Staat, in der Stadt und in der Kirche. Angesichts des Klimawandels, der Schattenseiten des Internets, des ungezügelten Kapitalismus und der daraus folgenden Armut ahne man, dass nun globales Denken anstehe, wenn man die Herausforderungen lösen wolle. Dazu aber müsse man genau hinhören, die Probleme identifizieren und dann gemeinsam Lösungen suchen. Fast alle Probleme auf dieser Welt seien von Menschen gemacht und deshalb von ihnen lösbar. „Wir alle atmen dieselbe Luft, wir alle sind sterblich. Wer Ohren hat zu hören, der höre!“ sagte Sporrer. Diesen Gedanken führte das folgende Lied weiter: „Gott gab uns Atem, damit wir leben, er gab uns Augen, dass wir sehn. Gott hat uns diese Erde gegeben, dass wir auf ihr die Zeit bestehn.“
In den Fürbitten betete die Gemeinde auf dem Brucker Hauptplatz zu Gott: Er möge allen Menschen, besonders denen, die Verantwortung in Staat, Stadt und Gesellschaft tragen, offene Ohren zum Hören auf sein Wort und die Kraft zu dessen Umsetzung im Alltag geben.
Mit dem gemeinsamen Gebet des Herrn, dem „Vater unser“, dem Segen und dem Lied „Großer Gott, wir loben Dich“ endete der Gottesdienst. Die Kollekte kommt dem Ferienprogramm der Ökumenischen Nachbarschaftshilfe zu Gute.
Oberbürgermeister Erich Raff sprach anschließend ein Grußwort für die Stadt. Der Gottesdienst beim Altstadtfest sei inzwischen eine feste Einrichtung geworden. Er zeige die Gemeinschaft der Christen über die Konfessionen hinweg. Raff mahnte, bei der Diskussion über die Lösungen von Problemen einander mehr zuzuhören und nicht sofort Lösungen zu präsentieren. „Höre auf Gott, höre aufeinander, höre auf die Zeichen der Zeit“, sagte Raff.
Die musikalische Gestaltung des Gottesdienstes hatte die Blasmusik Schöngeising übernommen.
Dr. Bernd Hein