Suchet der Stadt Bestes und betet für sie (Jer. 29,7)
Am Freitag, 12. April 2019, waren 60 Christinnen und Christen aller Gemeinden der Stadt unterwegs zu Begegnungsorten im Brucker Westen. Ziel war es, soziale und religiöse Brennpunkte und Begegnungsorte aufzusuchen, sich von den dortigen Problemen herauszufordern zu lassen und zu beten. Organisiert wurde die Veranstaltung federführend von der katholischen Pfarrgemeinde St. Bernhard. Auch der Christenrat Fürstenfeldbruck/Emmering war an der Vorbereitung beteiligt.
Beginn: Geschwister-Scholl-Platz: Zeugnis der Standfestigkeit und Treue
Robert Reischmann, Priester der Neuapostolischen Kirche, begann am Geschwister-Scholl-Platz mit einer kleinen Provokation für die 60 Christinnen und Christen, die sich versammelt hatten: „Es ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit, dass wir als Christen heute hier stehen und beten. Dass es überhaupt noch Christen in unserer Stadt gibt.“ Jeder habe doch die Erfahrung im Beruf und im Alltag, dass christliche Themen in Gesprächen keine Rolle mehr spielten. Dass Gesprächspartnern gar der Kragen platze, wenn von Kirche die Rede sei, sofort würden alle möglichen negativen Erfahrungen und Skandale aufgezählt. Also, so ganz selbstverständlich sei es wirklich nicht, hier zu stehen. Reischmann dankte um so mehr allen, die sich am Geschwister-Scholl-Platz versammelt hatten, um Zeugnis von ihrem Glauben und ihrem Bekenntnis zur Ökumene zu geben: „Ich will Euch Dank sagen für Eure Standfestigkeit und Treue“. Der neuapostolische Priester erinnerte an den langjährigen Pastor der Freien evangelischen Gemeinde, Gerd Ballon, der einmal über den Auftrag der Christen und ihrer Kirchen gesagt habe: „Fürstenfeldbruck soll wissen, was die Stadt von den christlichen Gemeinden und ihren sozialen Einrichtungen hat.“ Dessen wollte man sich neu bewusstwerden und es in die Bevölkerung tragen. Und man wolle beten: „Es ist mehr durch Beten erreicht worden, als sich die Welt träumen lässt.“ Nach Fürbitten für die Menschen in der Stadt setzte sich der Zug der Teilnehmer in Bewegung und wanderte vor die Geschäftsstelle des Diakonischen Werks.
Station 1: Diakonie, Brennpunkt sozialer Probleme
Buchenauer Straße 38, Diakonisches Werk: Eine ganz wichtige Adresse in der Stadt. Krankheit, Behinderung, scheiternde Ehen und Beziehungen, Migration, Armut: Hier werden die sozialen Probleme der Stadt in Worte gefasst – von fragenden, bittenden, verzweifelten, weinenden, letztlich aber doch hoffenden Menschen. Hier, in diesen nüchternen Büroräumen der Diakonie, finden sie mitfühlende Menschen, Sozialpädagogen, die zugleich fachlich kompetent sind, um mit ihnen mögliche Perspektiven und Lösungen zu erarbeiten, damit das Leben in neue Bahnen münden kann. Zwei Türen weiter ist das Spiel- und Lernprogramm „Opstapje“ für Babys und Kleinkinder untergebracht. Die Diakonie und ihre Angebote für die Menschen unserer Stadt, gleich ob sie einer Konfession angehören oder nicht: Sie reichen von Hilfen für Babys, werdende Mütter, Familien (Familienpflege, Brucker Elternschule und Erziehungsberatung), Kindertagesstätten, Schulkinder (Aktion Schultüte), Senioren (Besuchsdienst Ohrensessel: ehrenamtlich tätige Frauen und Männern besuchen in Fürstenfeldbruck und Emmering regelmäßig ältere, allein lebende Menschen). Diakonie Fürstenfeldbruck: das heißt über 400 haupt-, neben- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und zehn Einrichtungen. Man muss es in Worten wiederholen: über vierhundert! Damit gehört die Diakonie zu den großen Arbeitgebern im Landkreis. Selbstverständlich ist die enge Beziehung zur Gnadenkirche und zur Erlöserkirche. Die Teilnehmer an der „Langen Nacht“ formulierten Fürbitten, sie baten Gott, dass er die Mitarbeitenden der Diakonie und die Hilfesuchenden begleite. Dass die Menschen in der Stadt, die den Kontakt zur Kirche verloren oder bewusst aufgegeben haben, zurückfinden und in den Gemeinden lebendige Gemeinschaft und lebendigen Glauben erleben.
Station 2: Mehrgenerationenhaus LiB: Leben ist Begegnung
LiB, das heißt „Leben ist Begegnung“. Und zwar für alle Generationen. Hier, im Mehrgenerationenhaus Am Sulzbogen 56, treffen sich Jung und Alt zu einem bunten Programm. Herzstück ist das Café „LiBlingsTreff“. Für Senioren gibt es, zum Beispiel, Kurse zur Sturzvorbeugung und Gedächtnistraining. Hier treffen sich Selbsthilfegruppen, zum Beispiel bei Diabetes und Adipositas. Hier wird Hausaufgabenbetreuung angeboten, Deutschkurse für alle, hier werden Ehrenamtliche für soziale Gruppen aus- und fortgebildet. Von hier aus wird die ambulante Pflege gesteuert, hier gibt es eine Tagespflege für betreuungsbedürftige Senioren und Menschen mit Demenz. Und Vieles mehr. Träger des Mehrfamilienhauses ist die Ökumenische Nachbarschaftshilfe mit Sozialdienst e.V. Fürstenfeldbruck und Emmering. Also wieder eine kirchliche Einrichtung im Dienst für alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Simone Kuhbandner, Gemeindereferentin von St. Bernhard, sagte, in der zwischenmenschlichen Begegnung werde letztlich auch die göttliche Gegenwart sichtbar. Die Begegnung, die in diesem Haus ermöglicht wird, wurde an diesem Abend durch die Verteilung von Brot symbolisiert. Über das Brot wurde der Segen Gottes herabgerufen, dann wurde es an die Anwesenden verteilt. Ein sehr aussagekräftiges Symbol der Ökumene!
Station 3: Evangelisch-Lutherische Gnadenkirche: Beten für die Stadt
Vera Gedon, die Sprecherin des Christenrates, erinnerte an die vielen Menschen, die nicht in Fürstenfeldbruck aufgewachsen sind, aber hier ihre Heimat gefunden haben. Wie sie selbst, die gebürtige Berlinerin. Die Pfarrerin der Gnadenkirche, Ursula Leitz-Zeilinger, legte das Motto des Abends aus: „Suchet der Stadt Bestes und betet für sie“. Der alttestamentliche Prophet Jeremia hatte das zu den Israeliten im babylonischen Exil gesprochen. Er verkündete Gottes Wort von 627-587 vor Christus. Das jüdische Volk war nach Babylon verschleppt worden. Sie fragten sich: Wo war ihr Gott? Warum hatte er das zugelassen? Warum war er im Tempel zurückgeblieben? Sollten sie nun die babylonischen Götter verehren? Der Gott Israels gibt durch seinen Propheten Jeremia die Antwort: Er ist und bleibt der Gott Israels. Auch in der Verbannung in Babel. Er hat die Welt geschaffen, er ist doch nicht im Jerusalemer Tempel eingeschlossen, wie manche der Exilierten glauben. Und er wird sich seines Volkes dereinst erbarmen und sie wieder zurückholen in ihre Heimat. Aber bis dahin sollen sie sich in Babylon einrichten, Häuser bauen, Gärten einsäen, Kinder zeugen. Sie sollen das Beste für das Land, die Stadt tun, in das ihr Gott sie geführt hat. Dieser Gott Israels hat, so glauben es wir Christen, Wohnung gefunden in Jesus Christus. In unserem Herrn ist unsere letzte Heimat, dort sind wir angenommen und geborgen. Aus dieser Gewissheit heraus können und müssen wir für die Menschen beten und für sie da sein in der Stadt, die für uns irdische Heimat geworden ist: Fürstenfeldbruck. Als Symbol für die Zusammengehörigkeit untereinander und mit allen Menschen zündeten die Teilnehmer der „Langen Nacht“ ein Lichtchen an und fügten es in eine Weltkugel ein, die neben dem Altar in der Gnadenkirche aufgestellt war. Nach den Fürbitten und den Liedern „Herr gib Du uns Augen, die den Nachbarn sehn“, „Du bist da, wo Menschen leben“ und „Laudato si“ wanderten die 60 Leute weiter durch die Nacht zu ihrem heutigen Ziel.
Station 4: Katholische Kirche St. Bernhard: Wo die Liebe und Güte ist, ist Gott
Die katholische Kirche St. Bernhard war die letzte Station der Nacht. Friedrich Deschauer erinnerte an die Gründungsgeschichte der Kirche, die 1964 eingeweiht worden ist. In den Jahren zuvor war der Zuzug in den Brucker Westen sehr groß geworden, gerade von Flüchtlingen, neue Siedlungen waren entstanden. Und die katholische Kirche? Sie reagierte nach langen Beratungen mit dem Bau einer neuen Kirche. Sie wurde dem heiligen Bernhard von Clairvaux geweiht. Nicht aus Zufall, denn der Heilige war der Gründer des Zisterzienserordens, dessen Mönche seit Jahrhunderten in der Klosterkirche beteten, lehrten, arbeiteten. Die neue Kirche wurde, ganz nach den Richtlinien des heiligen Bernhard und in klarem Gegensatz zur prachtvollen Klosterkirche, sehr einfach ausgestattet. Im Volksmund nannte man sie anfangs die „Flüchtlingskirche“. Im Pilgerschritt – zwei Schritte vor, ein Schritt zurück – zogen die Betenden zum Altar. Wieder richteten sie Fürbitten zu Gott für das Wohlergehen der Menschen, die sich in dieser Kirche Sonntag für Sonntag und auch sonst versammeln und um seine Hilfe in den kleinen und großen Anliegen bitten. Vom Altar aus aufsteigender Weihrauch symbolisierte den Weg zu Gott, der das Gebet annehmen möge.