Enge / Weite / Freiheit der Christen

10 Wie kannst also du deinen Bruder richten? Und du, wie kannst du deinen Bruder verachten? Wir werden doch alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
11 Denn es heißt in der Schrift: So wahr ich lebe, spricht der Herr, vor mir wird jedes Knie sich beugen und jede Zunge wird Gott preisen.
12 Also wird jeder von uns vor Gott Rechenschaft über sich selbst ablegen.
13 Daher wollen wir uns nicht mehr gegenseitig richten. Achtet vielmehr darauf, dem Bruder keinen Anstoß zu geben und ihn nicht zu Fall zu bringen.

Liebe Gemeinde in diesem Ökumenischen Abendgottesdienst ein Jahr nach unserem Regionalen Kirchentag in FFB,

was war damals eigentlich los in der jungen Christengemeinschaft in Rom (und, wie wir wissen, auch in der in Korinth), als der Apostel Paulus diese Verse im Römerbrief schrieb: „Daher wollen wir uns nicht mehr gegenseitig richten.“?

Der Zusammenhang macht deutlich: es ging um ein bis heute aktuelles Thema in der Christenheit: Wie weit geht die von Jesus Christus geschenkte Freiheit der Gemeinde Gottes – und wo wird diese Freiheit zu Freizügigkeit und Libertinismus – und entzweit dann Kirchengruppen und Gemeinden? Wo haben die christlichen Kirchen aller Konfessionen und weltweit Standpunkte und menschliche Werte in Erinnerung zu rufen in einer grenzenlos pluralistischen und immer mehr säkularen Gesellschaft, weil sie vom Wort Gottes und von Gottes Geist dazu herausgefordert werden, das zu tun – und weil anders menschliche Gesellschaften kaputtgehen an Egoismus, Gier und Machtstreben? Und auf welchen Gebieten sind die Christen herausgefordert, unsinnigen Kleinkram aufzugeben und aus Liebe zu Jesus Christus ihre Streitigkeiten zu beerdigen zur Ehre Gottes und zum Wohl ökumenischer geistlicher Gemeinschaft?

Zur Zeit des Paulus ging es um ein Thema, das uns heute völlig unverständlich wäre: Darf man als ein Nachfolger Jesu Christi auf dem Wochenmarkt Fleisch kaufen und anschließend zubereiten und verzehren, das offiziell Götzenopferfleisch ist – das also vorher im Tempel den Göttern geweiht wurde? Paulus sagt dazu: „Völlig unerheblich. Wenn mein Leben Jesus Christus gehört und er mich gerettet hat dadurch, dass ich auf seinen Sühnetod am Kreuz vertraue, dann hat er mich befreit von solch einem ängstlichen Blick auf Äußerlichkeiten. Dann darf ich genießen und mich an der Qualität des Fleisches erfreuen. Denn Götzen haben keine Macht – schon gar nicht über mich.“

Und in diesem Zusammenhang macht Paulus deutlich, was er unter dem so beliebten Freiheitsbegriff versteht. Ein kleiner Exkurs, liebe Gemeinde, in Sachen Freiheit also:

Freiheit – was ist das denn biblisch?

Ich versuche einmal eine Definition laut Paulus:
Freiheit des Christen ist Befreiung von der Sünde als Macht und von allen von Menschen gemachten Geboten – dies aber in der festen Bindung an die Herrschaft Jesu Christi und an sein Wort.

Deswegen ist auch klar, liebe Gemeinde: Freiheit gibt es biblisch nicht in dem Sinne, dass ein Mensch sich in Heils beschreibenden Aussagen und klar definierten Lebensbereichen, in allen ethischen Fragen auf sein Gewissen allein berufen könnte, indem er sagt: „Jeder Christ ist allein seinem Gewissen verantwortlich.“ Ein sehr beliebter Satz – aber ziemlicher Unfug. Freiheit des Christen bedarf der engen Abhängigkeit zu Jesus Christus und seinem Wort.

Und, liebe Besucher dieses ökumenischen Gottesdienstes – ob wir das gern hören oder nicht: Vieles, was in unserem Land gesamtgesellschaftlich schon lange erlaubt ist und auch gelebt wird, reibt sich je und dann deutlich an dem Wort Gottes und seinen ethischen Maßstäben. – Deshalb: Freiheit des Christen ist Befreiung von der Sünde als Macht – in der festen Bindung an die Herrschaft Jesu Christi und an sein geoffenbartes Wort.

– Was das je und dann ganz konkret bedeuten mag, empfehle ich Ihrer eigenen biblischen Lektüre, angefangen beim Umgang mit Steuererklärungen, schwarzen Kassen und Briefkastenfirmen.

Nun feiern wir heute diesen Gottesdienst ökumenisch. Und in FFB bedeutet das: die drei verfassten Kirchen feiern zusammen mit den Vertretern zweier Freikirchen, der Freien evangelischen Gemeinde und der Neuapostolischen Kirche.

Freikirchen eilt ja in den Landeskirchen manchmal ein gewisser Ruf voraus: „Ou, die Freikirchler, die nehmen alles so schrecklich wortwörtlich. Die sind in vielen Fragen nicht wirklich entspannt; die kommen gleich mit allen möglichen Geboten; die pochen ganz stark auf bestimmte Regeln z.B. im Zusammenleben vor der Ehe usw.; die erscheinen mir manchmal eng und gesetzlich und nehmen sich und uns die Freude am Leben. So eng könnte ich nicht und mag ich auch nicht denken oder sein.“ – Kennen Sie diese Vorbehalte? – Mal abgesehen davon, dass das vielleicht manchmal sogar stimmt – aber, liebe ökumenische Gemeinde heute Abend, diese Aussage ist genauso vorurteilshaft und ungerecht wie die Aussage mancher Freikirchler: „Ou, die landeskirchlichen Gläubigen, die sind ja schon völlig angepasst an den Zeitgeist; denen ist ja nichts mehr heilig. Richtig liberal sind die! So könnte ich meinen Glauben nicht leben – und mag das auch gar nicht erst versuchen.“

Und schauen Sie: genau in diese vorurteilshafte Atmosphäre hinein klingen die Worte des Apostel Paulus aus dem Römerbrief sehr aktuell:

10 Wie kannst also du deinen Bruder oder Deine Schwester im Glauben richten? Und du, wie kannst du deinen Bruder oder Deine Schwester im Glauben verachten? Wir werden doch alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen.
13 Daher wollen wir uns nicht mehr gegenseitig richten. Achtet vielmehr darauf, dem Bruder oder der Schwester im Glauben keinen Anstoß zu geben und ihn oder sie nicht zu Fall zu bringen.

Das Thema dieses Gottesdienstes lautet:
„Einander vertrauen – Türen öffnen“
Bezogen ist es auf den ökumenischen Umgang der Kirchengemeinden in unserem Ort und im Miteinander. Wie gut, dass unser Vertrauen zueinander gewachsen ist in den letzten Jahren. Wie gut, dass wir nicht von Vorurteilen gegeneinander leben, sondern von der Dankbarkeit für einander.

G. Ballon


Diese Predigt ist Bestandteil der Predigten vom Ökumenischer Abendgottesdienst ein Jahr nach dem Kirchentag am Sonntag, dem 19. Juni 2016, 19.00 Uhr mit dem Thema „Einander vertrauen – Türen öffnen“ zum Bibelvers Römer 14, 10-13