„Sie waren uns gegenüber ungewöhnlich freundlich“. Unter diesem Motto stand die Gebetswoche für die Einheit der Christen im Januar 2020. Der Satz stammt aus der Apostelgeschichte (Apg 28,2). Dort wird erzählt, wie der Apostel Paulus und seine Mitreisenden auf der Fahrt nach Rom Schiffbruch im Mittelmeer erleiden und nach Malta kommen. Die dortige Bevölkerung nimmt die Schiffbrüchigen gastfreundlich auf und versorgt sie. Die maltesischen Christen sehen in dieser Geschichte bis heute die Wurzeln des christlichen Glaubens und der christlichen Gemeinde auf ihrer Mittelmeerinsel.
Der Christenrat Fürstenfeldbruck/Emmering hatte am 24. Januar 2020 in die Neuapostolische Kirche in Fürstenfeldbruck eingeladen, um gemeinsam darüber nachzudenken, wie aus Gastfreundschaft Gemeinschaft und aus Gemeinschaft Glauben werden kann. Robert Reischmann, der Geistliche der Neuapostolischen Kirche, verstand es, den biblischen Text überraschend aktuell zu erzählen. Aber er tat das nicht im Monolog, sondern ermunterte die Gäste, ihre Gedanken und Gebete öffentlich vorzutragen.
Die Gläubigen gingen einige Stationen des Wegs des Apostels nach Rom nach. Paulus war von 56 bis 58 wegen seines Bekenntnisses zu Jesus Christus in Cäsarea in Haft. Paulus will seinen Fall dem Kaiser in Rom darlegen, deshalb lässt ihn König Agrippa per Schiff nach Rom bringen. Paulus liegt in Ketten. Er ist auch auf dem Schiff ein Gefangener um Christi willen. Wir beten für die verfolgten Christen heute, überall in der Welt.
Die Seefahrt nach Rom ist gefährlich. Das Schiff gerät in Seenot. Die Passagiere haben Todesangst. Paulus bleibt ruhig. Nachdem ihm ein Engel Gottes erschienen war und ihm gesagt hatte, alle würden gerettet, beruhigt er die Mitreisenden: „Seid guten Mutes, Männer! Ich vertraue auf Gott.“ Wir beten für alle, die körperlich und seelisch in Not geraten. Wir denken an die, die heute aus Elend und Not, vor Armut und Krieg über das Mittelmeer fliehen, in Lebensgefahr geraten, ertrinken. Wir beten für alle Flüchtlinge.
Land in Sicht! Alle Passagiere erreichen, erschöpft an Leib und Seele, Land. Die Insel Malta. Ein fremdes Land für sie. Und sie sind Fremde für die Einheimischen. Doch die lehnen die Schiffbrüchigen nicht ab: „Sie waren uns gegenüber ungewöhnlich freundlich“. Sie fragen nicht viel. Sie machen ein Feuer für die Gestrandeten, damit sie sich wärmen können. Und sie geben ihnen zu essen. Drei Monate überwintern die Schiffbrüchigen auf Malta, dann fahren sie weiter nach Rom. Wir beten darum, dass Christen Menschen in Not Gastfreundschaft gewähren, sich um sie sorgen und ihnen Hoffnung für die Zukunft geben. Wir beten darum, dass Menschen auch in geistlicher Kälte Heimat in unseren Gemeinden finden können.
„In der Gebetswoche geht es um die Einheit der Christen. Diese ist kein Selbstzweck, sondern sie ist besonders für den Notleidenden, Hilfsbedürftigen und Fremden offen. Unsere Einheit als Christen wird nicht nur dadurch entdeckt, dass wir einander Gastfreundschaft gewähren, so wichtig dies ist, sondern auch durch liebevolle Begegnungen mit denen, die unsere Sprache, unsere Kultur oder unseren Glauben nicht teilen.“ So heißt es in einem Text unserer Kirchen zur Gebetswoche. Gemeinsamkeit schafft Möglichkeiten der Hilfe für Menschen in Not. Gemeinsam sind wir stärker! „Das Beispiel aus der Apostelgeschichte macht uns deutlich, wie aus einer zufälligen Begegnung Gemeinschaft entstehen kann. Gemeinschaft über Grenzen hinweg mindert Not. Die Kirchen sehen sich in der Pflicht, solche Gemeinschaft zu fördern. Dies wird ihnen umso mehr gelingen, je mehr sie auch untereinander Gemeinschaft pflegen und Versöhnung suchen.“ So heißt es in der Erklärung unserer Kirchen zur Gebetswoche.
„Wir bringen Christen zusammen“, dieses Ziel hat sich auch der Christenrat Fürstenfeldbruck/Emmering gesetzt. Wie steht es damit in Fürstenfeldbruck und Emmering? fragte Robert Reischmann am Schluss des ökumenischen Gebetstreffs. Die ökumenische Zusammenarbeit der christlichen Kirchen hat in Fürstenfeldbruck gute Fortschritte gemacht, betonte er. „Wir sind dankbar für das Erreichte. Aber es gibt auch noch manche Baustellen“. Er nannte zum Beispiel die Unwissenheit bei den Gläubigen der unterschiedlichen Konfessionen zum Thema Taufe und Trauung. Die Kirchen seien sich bei diesen Themen ähnlicher und anerkennender, als viele meinen. Nach wie vor schmerzhaft sei aber, dass es kein gemeinsames Abendmahl gebe. Dieses Problem sei nicht zu lösen, solange man nicht bereit sei, den Geistlichen der anderen Konfession im Amt anzuerkennen. Das wiederum sei weniger ein Problem der Gläubigen, sondern eines der Theologen untereinander. Mit unablässigem Gebet, vielen Gesprächen und Informationen könne man Vorurteile beseitigen und dem Wunsch Jesu Christi in der Bibel „Damit alle eins seien“ näherkommen. Auf diesem Weg zur Einheit aller Christen müsse sich jede Konfession fragen, was sie von ihrer eigenen Tradition aufgeben müsse, um einander näher zu kommen.
Mit dem „Vater unser“ schloss der Gebetstreff in der Neuapostolischen Kirche, an dem etwa 65 Personen aller christlichen Konfessionen aus der Kreisstadt teilnahmen. Die musikalische Gestaltung übernahmen hauptsächlich Jugendliche der Freien evangelischen Gemeinde.
Dr. Bernd Hein