Umkehr zum Frieden
8. bis 18. November 2020
Mit 12 religiösen Veranstaltungen hat sich der Christenrat Fürstenfeldbruck/Emmering an der Ökumenischen FriedensDekade vom 8. bis 18. November 2020 beteiligt. Die FriedensDekade wurde erstmals 1979 in den Niederlanden und 1980 in Deutschland begangen. An den 10 Tagen (daher der Name „Dekade“) vor dem Buß- und Bettag treffen sich Christinnen und Christen und beteten für den Frieden in der Welt. 2020 hieß das Motto „Umkehr zum Frieden“.
„Gerade im Jahr der Corona-Pandemie mit seinen Lockdowns, Kontaktverboten und Beschränkungen der Gottesdienste wollte der Christenrat ein Zeichen setzen. Wir Christen sind gefordert, unseren Glauben auch unter diesen Bedingungen zu bezeugen und für den Frieden in der Welt zu beten“. Vera Gedon, die Sprecherin des Christenrats Fürstenfeldbruck/Emmering fand Gehör. Über 300 Christinnen und Christen beteiligten sich an den Gottesdiensten und Andachten.
„Schalom“, Frieden hieß das Thema des Gottesdienstes am Sonntag, 8. November in der evangelisch-lutherischen Gnadenkirche in Fürstenfeldbruck (33 Teilnehmende). Prädikant Pernat Mutto-Schwan sagte in seiner Predigt: „Das Evangelium ist eine Botschaft des Friedens. Gott hat in Jesus Christus Frieden geschaffen und ruft uns in eine versöhnte Beziehung mit sich selbst und untereinander. Diesen Frieden wollen wir in unserer Gemeinde, in unserem politischen Umfeld, in unserem Umgang mit der Natur pflegen.“ Er erinnerte an den Einsatz der Christinnen und Christen für Flüchtlinge. Angesichts der Größe der weltweiten Not drohe manchmal die Sprachlosigkeit, Wehrlosigkeit, Mutlosigkeit. Auch gerade in der Corona-Pandemie. Aber Jesus habe uns die Antwort auf unsere Mutlosigkeit gegeben: „Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt“.
Unter das Motto „Versöhnung schafft Frieden“ hatte Pfarrer Markus Eberle seinen Sonntagabendgottesdienst am 8. November in der evangelisch-lutherischen Versöhnungskirche in Emmering gestellt (18 Teilnehmende). Wie Versöhnung gelingen kann, erläuterte er am Beispiel der „Nagelkreuzgemeinschaft“. Hintergrund: Bei einem deutschen Luftangriff auf die englische Stadt Coventry am 14. November 1940 starben 550 Menschen, große Teile der Innenstadt, Industrieanlagen und die spätmittelalterliche St. Michael’s Kathedrale wurden zerstört. Der damalige Dompropst Richard Howard ließ drei große Nägel aus dem Dachstuhl der zerstörten Kathedrale zu einem Kreuz zusammenfügen und die Worte „FATHER FORGIVE“ (Vater vergib) in die Wand im Chor der Ruine meißeln. Aus zwei verkohlten Holzbalken wurde ein großes Kreuz zusammengesetzt. Seit 1962, als die neue Kathedrale 1962 eingeweiht wurde, steht das Nagelkreuz auf dem Altar. Es gilt weltweit als Symbol der Versöhnung und des Friedens. In der ganzen Welt sind „Nagelkreuzgemeinschaften“ entstanden, die die Versöhnungsbotschaft von Coventry weitertragen: „Versöhnung geschieht durch Vergebung und schafft so Frieden“. Beim katholischen Pfarrverbandsgottesdienst am 8. November in der Klosterkirche Fürstenfeld beteten die Gläubigen um Frieden in aller Welt.
Vor dem Seniorenheim „Josefsstift“ hielt die Beate Reimann vom katholischen Pfarrverband Fürstenfeld, Seelsorgerin in Seniorenheimen, am 9. November eine Andacht unter dem Motto „Schalom“ (8 Teilnehmende). Sie erinnerte daran, dass alle Menschen in diesem Haus den Krieg selbst erlebt und das Erlebte an die folgenden Generationen weitergegeben hätten. Der Krieg habe nicht nur Auswirkungen auf sie selbst gehabt, sondern auch auf ihre Kinder und Enkel, auf ihr Urvertrauen, ihren Selbstwert und ihr Lebensgefühl.
Pastor Traugott Hopp konnte am 10. November 20 Personen in der Freien evangelischen Gemeinde zu einer Andacht zum Thema „Umsturz“ begrüßen. Der Pastor sagte zum Beginn: „Umsturz: Welche Bilder stehen uns da vor Augen? Lenin- und Marxskulpturen, die von ihren Sockeln geholt werden? Die Mauer, die sich öffnet? Protestbewegungen, die auf staatliche Gewalt stoßen? Paramilitärische Truppen, die Angst verbreiten, Bürgerkrieg, islamistische Attentate,… – alle wollen irgendeine Art von Umsturz. Es ist sehr schwer als ´Prophet´ jede politische Bewegung unserer Zeit deuten zu wollen. Eine einfache Einteilung in ´die Guten´ und ´die Bösen´ wird der Situation und den Menschen nicht gerecht. Da hilft uns, wenn wir auch den Text anschauen, der uns zu dem Stichwort „Umsturz“ mitgegeben wurde“. Hopp verwies auf das Magnifikat, den Lobgesang Mariens im Lukas-Evangelium 1,46-55, und er sagte: „Hier betet eine junge Frau, Maria, die bald Mutter werden wird – Mutter des Messias Jesus. Und ihr Gebet ist stark, wuchtig, durchaus auch erschreckend und verwirrend für uns heute. Zugleich ist es ein Gebet voller Staunen, Ehrerbietung, Begeisterung – und zusammengefügt aus vielen Gebeten des Alten Testaments, der Psalmen. Maria – wie auch wir Heutigen – staunen darüber, dass Gott nicht in vorgegebenen Bahnen wirkt, sondern uns und diese Welt immer wieder überrascht. Maria – wie auch wir Heutigen – verstehen uns nicht als Ratgeber, noch Erklärer seines Wirkens. Maria – und hoffentlich auch wir heutigen – preisen die Macht Gottes, seine Gerechtigkeit, sein unbändiges Verlangen, Barmherzigkeit zu zeigen. Daher lädt uns der Text ein, selbst das Gespräch mit Gott zu suchen. Einen eigenen inneren Umsturz zu erleben: Nicht mehr meine Vorstellungen und Pläne – sondern Gottes Weg und Wirken sind maßgeblich. Maria hatte ein ganzes JA dazu! Wir auch?“ fragte Pastor Traugott Hopp.
Am 11. November hatte der katholische Pfarrverband Fürstenfeld zu einer Andacht in die Pfarrkirche St. Magdalena eingeladen. Diakon Martin Stangl und Pfarrgemeinderat Dr. Rupert Habersetzer stellten sie unter das Thema „Ohnmacht“. Sie nahmen Bezug auf das Jahr 1989. „Unser Land war damals gespalten durch den ´Eisernen Vorhang´. Die Mauer in Berlin. Eine unüberwindliche Grenze quer durch unser Land mit Stacheldraht, Minen, Schießbefehl. Und im Innern der DDR herrschten Unfreiheit, Spitzelei, Gewalt. Das System der Unterdrückung der Menschen schien fest zementiert. Auf ewig. Doch es kam anders. Es kam ganz anders, weil es in der DDR mutige Christinnen und Christen gab, die im Vertrauen auf Gott ihre Ohnmacht überwanden. In der evangelischen Kirche St. Nikolai in Leipzig trafen sich seit vielen Jahren, angeregt durch die FriedensDekade, Menschen regelmäßig montags um 17 Uhr zum Friedensgebet. Von hier aus nahm die gewaltlose Revolution in der DDR ihren entscheidenden Weg“. Der damalige Pfarrer von St. Nikolai, Christian Führer, hat sich in einem Bericht über diese Tage auf das Magnifikat bezogen, das Lied der Mutter Gottes im Neuen Testament, in dem sie das Wirken Gottes in der Welt besingt. Dort heißt es: „Gott stürzt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen“. Auf diesen Gott haben die Christinnen und Christen damals, 1989 in Leipzig, vertraut. Er hat sie aus ihrer Ohnmacht geführt. So haben sie eine Diktatur mit ihrer Verachtung und Unterdrückung der Menschenrechte gestürzt und Frieden geschaffen. (12 Teilnehmende)
Unter dem Thema „Lebenswende“ stand eine Andacht am 12. November hinter dem Bürgerhaus in Biburg. (13 Teilnehmende) Eingeladen hatte die Gemeindereferentin Simone Kuhbandner vom katholischen Pfarrverband. Am Bespiel der biblischen Geschichte von der Arche Noahs zeigte sie, dass Gott Menschen immer wieder zu Neuanfängen nach Katastrophen ermutigt: „Das Lernen aus Vergangenem ist die Voraussetzung, dass neues Leben für die Schöpfung möglich wird. Dazu zählt auch, die nicht aus dem Auge zu verlieren, die sich nach Frieden sehnen und unsere Solidarität am nötigsten haben: Die Menschen in den Flüchtlingslagern und die Schöpfung, die unter der Veränderung des Klimas leidet. Der Blick zurück heißt nicht gedankenlos das Heil in der Rückkehr zu alten Verhältnissen zu suchen. Umkehr zum Frieden bedeutet, die Augen wieder nach vorne zu richten, auf das Land, das Gott uns schenkt“.
Pfarrer Dr. Valentin Wendebourg von der evangelisch-lutherischen Erlöserkirche konnte am 13. November 70 Gäste, darunter Konfirmanden und den Posaunenchor, im Garten der Kester-Häußler-Stiftung begrüßen. Im Garten befindet sich ein Stück der Berliner Mauer. „Überwinde das Böse mit Gutem“ (Mauerfall) hieß die Botschaft des Abends. Eine Zeitzeugin berichtete von ihrem persönlichen Mauerstückchen, das sie sich im Dezember 1989 im Süden Berlins rausgeklopft hatte und seither hütet. Der verlesene Brief einer Weißrussin, die wegen fadenscheiniger Vorwürfe im Gefängnis ist und auf ihr Urteil wartet, zeigte, dass das Gebet um Frieden auch heute noch dringend nötig ist.
In der Neuapostolischen Kirche trafen sich 21 Christinnen und Christen zum Thema: „Saulus 2020 – Chance zum Neuanfang.“ Priester Robert Reischmann führte ein Interview mit einer Frau, die in den 1970er Jahren aus der DDR nach Westdeutschland flüchtete. Die Pfarrerstochter wuchs in dem Bewusstsein auf, dass ihr ein angemessener Beruf verwehrt sein würde. Sie entschloss sich zur Flucht. Auf der Suche nach einer Bestätigung stieß sie im Römerbrief auf den Vers: „… und ruft dem, was nicht ist, dass es sei.“ (Rö 4, 12) So wurde sie gewiss, dass Gott sie beschützen werde und floh im Kofferraum eines westdeutschen Monteurs. Das „Ankommen“ gestaltete sich schwierig, weil einfach so vieles „anders“ war. Inzwischen ist sie in der Beratung von Geflüchteten tätig und kann nur zu gut nachvollziehen, wie mühsam es ist, sich mit den Sitten und Gebräuchen der neuen Heimat auseinander zu setzen.
Zum Sonntagsgottesdienst am 15. November kamen 73 Christinnen und Christen in die Gnadenkirche und den Gemeindesaal. Pfarrerin Ursula Leitz-Zeilinger und ihr Team hatten das Leitwort „Umkehr zum Leben“ gewählt.Die Pfarrerin leitete ihre Predigt so ein: „Wo liegen die Ursachen des Unfriedens? – Und: Wie können wir umkehren zum Frieden?“
Der Apostel Paulus gibt in seiner Mahnung an die junge christliche Gemeinde in Rom eine klare Antwort auf diese Fragen: „Vergeltet nicht Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. … Lass Dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Guten“. Wer Unrecht mit Unrecht vergelte, der sei von der Logik des Bösen ergriffen und stifte seinerseits Unfrieden, sagte die Predigerin. Das sei eine Erfahrung, die man auch im Alltag immer wieder machen könne. Die Gewissheit, dass man Böses nur mit Gutem überwinden könne, habe Paulus aus seinem Glauben an Jesus Christus gewonnen. Er habe erlebt, dass Jesus ihm, dem Verfolger der ersten Christen, vergeben habe. Aber, sagte Leitz-Zeilinger, wenn wir ehrlich seien, so erlebten wir auch, dass Vergebung immer wieder an Grenzen stoße. An Grenzen bei anderen, die trotz unseres guten Willens nicht vom Bösen ließen, an Grenzen in uns selbst, besonders, wenn wir sehr verletzt worden seien. Das Beispiel des Apostels Paulus ermutige uns. Und ebenso das Wissen, uns immer an Jesus Christus wenden zu können: „Ihm kann ich meine Unfriedlichkeit, auch meine Rachebedürfnisse, bringen und ihn um seinen Frieden bitten“. Jürgen Schulz erinnerte beim Gottesdienst an die Kraft Frieden stiftender zivilgesellschaftlicher Initiativen.
Beim katholischen Pfarrverbandsgottesdienst am 15. November in der Klosterkirche Fürstenfeld beteten die Gläubigen um Kraft für den Frieden.
An einem ungewöhnlichen Ort hatten sich am 16. November 15 Christinnen und Christen zum Gebet versammelt, nämlich vor der Polizeiinspektion. Das Thema hieß „Barmherzigkeit“, der Kirchenvorstand der Gnadenkirche gestaltete die Andacht. Ingrid Rau verlas einen Text von Dieter Bindig, der lange Jahre als Kommissar in der Polizeistation tätig war und jetzt Dozent an der Polizeihochschule ist. Er schrieb: „Für den Tag heute ist das Thema ´Barmherzigkeit´ gegeben und dazu einer der wohl bekanntesten Texte der Bibel, die Geschichte vom ´Verlorenen Sohn´. Wie wichtig dieses Thema für Jesus ist, sieht man im Zusammenhang. Jesus ist nämlich nach dem Lukasevangelium in folgender Situation: ´Eines Tages waren wieder einmal alle Zolleinnehmer und all die anderen, die einen ebenso schlechten Ruf hatten, bei Jesus versammelt und wollten ihn hören. Die Pharisäer und die Gesetzeslehrer murrten und sagten: Er lässt das Gesindel zu sich! Er isst sogar mit ihnen!´ Dann erzählte ihnen Jesus drei Gleichnisse: das vom verlorenen Schaf, das von der verlorenen Münze und schließlich noch das vom verlorenen Sohn. Voller Mitleid lief der Vater seinem heimkehrenden Sohn entgegen, sagte Jesus.“ Bindig konzentrierte sich auf das Stichwort „Barmherzigkeit“. Im griechischen Wort für Barmherzigkeit steckten die „Eingeweide“, im hebräischen Wort „Mutterschoß“, und zwar im Plural! Gott lasse uns laufen, wenn wir es wollten, aber er nehme uns auf in die Geborgenheit des Mutterschoßes – „und er hat viele davon. So behütet kann ich mich meinen Mitmenschen zuwenden und ´miseri cor dare´: dem Armen, Bedürftigen mein Herz schenken – so die Bedeutung des lateinischen ´misericordia´, daraus wird dann die ´caritas´, die tätige Nächstenliebe. Dann kann mir selbst Übles widerfahren, wie es etwa Menschen wie Dietrich Bonhoeffer erfahren haben, aber ich weiß mich dennoch geborgen, selbst wenn ich sterbe“. „Wie passt das aber für die Polizei, vor deren Inspektion wir gerade stehen?“ fragte Ingrid Rau, und Bindig gab folgende Antwort: „Die Polizei ist schon durch ihre Aufgabe sehr oft an Orten wo eben genau der Frieden gestört ist. Selten gibt es ´friedliche´ Einsätze. Wo alle miteinander auskommen, braucht es keine Polizei. Ist jetzt die Polizei dafür verantwortlich, da zu sein wo der Frieden abwesend ist? Demonstrationen, Auseinandersetzungen, Unfälle, Unglücks- oder gar Todesfälle? Glaubt man der Berichterstattung, bekommt man schon diesen Eindruck. Eine Demonstration wird an der Schwere der Auseinandersetzung mit der Polizei gemessen. Polizisten, die im Getümmel einen Menschen festnehmen, sind im Fernsehen interessanter als Steine werfende oder mit Fahnenstangen zustoßende Demonstranten. Gewalt gegen und durch Polizeibeamte bringt Einschaltquote. Eine friedliche Demonstration ist nur eine Randnotiz wert. Und bleibt die Barmherzigkeit auf der Strecke? Mitnichten. Ich bin zwar schon ein paar Jahre aus dem Einsatzgeschehen heraus, aber die Bilder, wo Polizisten erste Hilfe leisten, auch den Menschen, die sie vor Minuten niedergerungen haben, um deren Aggression einzudämmen, bleiben mir im Kopf. Trost der Angehörigen und der Opfer gehört bei ´meinem Kommissariat´ dazu. Kein Sterbefall ohne Tränen. Ja, auch das Gesetz lässt Platz für Barmherzigkeit. Hier heißt sie Ermessensspielraum. Gerade bei Einsätzen ohne schwerem Gesetzesbruch darf man vermitteln, Frieden stiften, und man kann das Gesetzbuch auch einmal stecken lassen. Beten wir also auch für die Polizisten, die im täglichen Dienst an den Brennpunkten eingesetzt werden, um dort für Frieden zu sorgen. Beten wir dafür, dass im Einsatz Menschlichkeit und Barmherzigkeit auf beiden Seiten nicht untergehen“. Noch ein zweiter Gedanke kam bei der Andacht zur Sprache, die menschliche Macher-Mentalität. Menschen sind normalerweise lieber selbst „Macher“. Aber bei aller Freude daran, etwas zu machen, bei allem notwendigen Selbstvertrauen, das sagt „Wir machen das schon“: Es gibt auch eine Macher-Mentalität, die maßlos wird und sich mehr zutraut, als sie tatsächlich kann. Darum ist es gut, wenn ihr eine andere Mentalität an die Seite tritt: die Mentalität des Mit-Machers. Der Mit-Macher will nicht die erste Geige spielen, aber er macht mit bei einem anderen, dem er vertraut. Für Franz von Assisi, den Verfasser des folgenden Gebetes, ist das Gott. Die Gläubigen beteten:
Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
dass ich den Glauben bringe, wo Zweifel droht;
dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.“
Herr, lass mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.
Denn wer sich hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben. Amen.
Der Beter stellt also Gott seine Fähigkeiten als Werkzeug zur Verfügung – er macht mit, sagte Ingrid Rau.
In ihrer Predigt zum Buß- und Bettag am 18. November griff Pfarrerin Ursula Leitz-Zeilinger in der Gnadenkirche die FriedensDekade auf. Sie erinnerte zunächst an die Gründung dieser ökumenischen Bewegung vor 40 Jahren: Im Osten wie im Westen stand die atomare Aufrüstung an. In der DDR wie in der Bundesrepublik Deutschland wurde dagegen demonstriert. Im Herbst 1980 wurde die ökumenische FriedensDekade gegründet. Christen in Ost und West wussten sich in ihrem Engagement für den Frieden verbunden. Manche erinnern sich noch, wie wichtig der Slogan: „Schwerter zu Pflugscharen“ nach dem Propheten Micha für die Friedensbewegung in der DDR war. „Schwerter zu Pflugscharen“, „dieses Symbol traf die Mächtigen in der DDR an empfindlicher Stelle. Für sie war es ´Westimport vom Klassenfeind´, ´Wehrkraftzersetzung´. So wurde verboten, dieses Symbol als Aufkleber zu drucken.“ Dann aber wurde alles anders, und die Prophetie Michas schien sich unversehens noch zu unseren Lebzeiten zu erfüllen. Leitz-Zeilinger: „Mit der Wende in der Sowjetunion und der friedlichen Revolution des Herbstes 1989 in der DDR schien sich dann etwas von dieser Ankündigung des Micha zu erfüllen: deutsche Firmen erhielten tatsächlich Aufträge, russische Sattelschlepper für Atomraketen zu Autokränen umzubauen. – War das nicht: Schwerter zu Pflugscharen zu schmieden? Und die Wende im Osten Deutschlands vollzog sich, ohne dass dabei Blut geflossen wäre. Bürgerkomitees lösten Waffenlager auf und machten StaSi-Einrichtungen zu Arztpraxen. War das nicht: Spieße zu Sicheln machen?´“ Wenn man allerdings heute auf die Weltlage schaue, dann sehe man nichts mehr davon, dass die Völker ihre Schwerter zu Pflugscharen machten: „An vielen Orten scheinen sich Nationalismen und Egoismen durchzusetzen“. Was bedeutet dann die Vision Michas für uns heute? Ursula Leitz-Zeilinger tastete sich an eine Antwort heran. Micha habe in der Kriegszeit, in der er lebte, nicht die Schuld an der schlimmen Situation den Aggressoren, Israels Feind Assyrien, gegeben, sondern er habe sein Volk aufgefordert, dahin zu schauen, wo es selbst schuldig geworden war: „Sie hatten die wahnwitzige Idee, dass sie sich mit ihren schnellen Pferden den Mächtigen dieser Erde entgegenstellen könnten. Stolz verleitete das kleine Volk zu einem irrsinnigen Hochmut, der eine große Bedrohung für das Land war.“ Von diesem Gedanken kam die Predigerin zum Buß- und Bettag und der Verantwortung jedes Einzelnen: „Auch wir sind heute am Buß- und Bettag gefragt, auf uns zu schauen, uns zu fragen, wo wir dem Frieden schaden. Es sind ja nicht nur die Schwerter und die Kriegsgeräte oder die geballten Fäuste, auch ausgesprochene und geschriebene Wörter können zu Waffen werden, die andere verletzen: Beleidigungen, Sticheleien, abschätzige Bemerkungen… Aber auch Rechthaberei, immer das letzte Wort haben wollen, trägt zum Unfrieden bei.“ Der Prophet Micha schärfe nicht nur des Gewissen seiner Mitmenschen, sondern er höre auch auf ihre Not, auf ihren gequälten Schrei: Wo soll das alles enden? Gegen die Wirklichkeit des erlebten Krieges und der Not setze er die hoffnungsvolle Vision, dass alle Völker zum Gottesberg pilgern und ihre Kriegsgeräte zu Kulturwerkzeugen umschmieden. Auf solche Hoffnungsbilder könnten auch wir heute nicht verzichten. Denn, so Leitz-Zeilinger, „sie strahlen in die Wirklichkeit hinein und verändern Maßstäbe“. So könne Michas Vision uns schon hier und heute für den Frieden gewinnen. Friede aber fange nicht bei uns selber an, wie man oft höre, Friede fange an bei Gott allein. „Aber ich – ich bin die erste, der erste, mit denen er seinen Frieden anfangen will!. Gottes Friedensworte finden Resonanz in uns Menschen.“ Dabei wissen wir: unseren eigenen Möglichkeiten sind Grenzen gesetzt. Es werde uns nicht gelingen, Krieg, Hetze, Gewalt und Hass ganz aus der Welt zu schaffen, sagte die Pfarrerin. „Doch das soll uns nicht entmutigen. Jeder Schritt auf dem Weg zum Frieden hat seinen Sinn in sich selbst. Und er ist ein Hoffnungszeichen, das aufleuchtet in dieser Welt. Es erinnert uns daran, dass wir auf Gottes Friedensreich zugehen“. Ein Reich, das der Prophet Micha so beschreibt: „Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wir sie schrecken“ .
Die FriedensDekade 2020 in Fürstenfeldbruck und Emmering wurde mit Gebeten, Liedern und eindrucksvollen Meditationen und Predigten begangen. Bei denen, die dabei waren, wird sie ein nachhaltiges Echo haben.
Dr. Bernd Hein