Gedanken
zur FriedensDekade 2018 in Fürstenfeldbruck
Mit drei Gebetstreffen vor
der Fürstenfeldbrucker Kirche St. Leonhard und einem Abend in der Gnadenkirche mit
Lyrik, Texten und Musik zu Frieden und Krieg aus zwei Jahrtausenden hat sich
der Christenrat Fürstenfeldbruck/Emmering an der FriedensDekade 2018 in der
Woche vom 13. bis 16. November beteiligt.
Der
Abend in der Gnadenkirche begann mit dem Propheten
Micha (4,1-4): „In den letzten Tagen“ werden sie ihre Schwerter zu
Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Nicht der Prophet macht diese
Verheißung, sondern durch seinen Mund Gott selbst: „Denn der Mund des Herrn
Zebaot hat es geredet.“ Micha lebte im 8. Jahrhundert v. Chr., und seitdem
kennen Juden und Christen Gottes Verheißung. Jeder von uns weiß: Diese
Verheißung Gottes ist in der Welt nicht Wirklichkeit geworden. Seit den Tagen
Michas erlebten und erleben die Menschen das Gegenteil. Krieg, nicht Frieden
ist der Alltag.
Von
diesem Alltag der Gewalt, des Terrors, des Kriegs berichteten neun Gedichte vom
17. bis zum 20. Jahrhundert ihrer Versform und poetischen Sprache. Die Texte
provozierten, wie es kaum ein Prosastück vermocht hätte.
„Tränen
des Vaterlandes“ nennt Andreas Gryphius
sein Anti-Kriegsgedicht von 1637 – mitten im Dreißigjährigen Krieg. Das
Vaterland, in dessen Namen angeblich Kriege geführt werden müssen, weint, denn
es ist verwüstet, die Schwerter sind voller Blut, die Flüsse von Leichen
verstopft. Ärger als die Pest, der Hunger und der Tod ist aber, so schließt
Gryphius, „der Seelen Schatz / so vielen
abgezwungen“. Das kann man auch den Kirchen zurufen, die so oft die Waffen
gesegnet haben.
„s´ ist leider Krieg – und ich begehre
nicht schuld daran zu sein“. So beginnt Matthias
Claudius
sein Kriegslied von 1778. Redet sich da einer allzu leicht aus der persönlichen
Verantwortung? Nein, aber er sagt den Opfern, die „blutig, bleich und blass“ im
Schlafe zu ihm kommen, sie selber, nicht er, habe den Krieg hervorgerufen, und
er hält ihnen die Gründe für ihre Kriegsbegeisterung vor: „Kron und Land und Gold und Ehre“. Als wär´s ein Stück von
heute, so klingt Theodor Fontanes
„Das Trauerspiel von Afghanistan“ von 1839. „Mit dreizehntausend der Zug
begann, einer kam heim aus Afghanistan.“
Marie Luise
Kaschnitz
beklagt 1951 in „Hiroshima“ entsetzt, dass der Atombombenpilot keine Reue
empfand, sondern als Held stilisiert wurde. Ingeborg Bachmann resigniert 1952 in „Alle Tage“, dass das
Unerhörte alltäglich geworden ist: „Der Krieg wird nicht mehr erklärt, sondern
fortgesetzt.“ Dann aber keimt Hoffnung auf, sie kehrt die Verhältnisse um:
Flucht vor den Fahnen, „Tapferkeit vor dem Freund“, „Verrat unwürdiger
Geheimnisse“, „Nichtbeachtung jeglicher Befehle“ werden zu Tugenden, zu Voraussetzungen,
dass es keinen Krieg mehr gibt. Hilde
Domin beschwört in „Abel steh auf“ aus dem Jahr 1978 die Umkehr der alten
Mordgeschichte vom Anfang der Schöpfung: wenn der von seinem Bruder Kain
erschlagenen Abel aufsteht, wenn Kain statt zum Mörder zu Abels Bruder wird,
dann braucht es keine Gesetzbücher und auch keine Kirchen mehr. Dann ist die
Gewalt aus der Welt, alles kann noch einmal beginnen und gut werden. Die
17jährige Selma Meerbaum-Eiseler hat
in ihrem „Poem“ von 1941 nur einen Wunsch: „Ich möchte leben. Ich möchte lachen
und Lasten heben … und lieben … und frei sein … Ich will nicht sterben.
Nein!“ Stattdessen hört sie brüllende Kanonen, sieht ein massenhaftes „Hauf um
Hauf sterben sie.“ Pavel Matev mahnt
in „Die Signale“ wachsam zu sein und schon weit im Vorfeld des Krieges „dumpfe
Warnsignale“ wahrzunehmen. Mit Walter
Lowenfelds Gedicht „Der große Friede“ endete die Lesung: „Was ist schöner
als ein Land, das kein Grab hat … weil da kein Feind ist.“ Und überall scheint
das „Licht der Weisheit.“
Kurze
Musikstücke des Münchner Keller-Quintett gaben den Zuhörerinnen und Zuhörern in
der Fürstenfeldbrucker evangelischen Gnadenkirche Zeit, die Texte zu
reflektieren. Sich von ihrer Provokation zu erholen. Oder weiter zu denken. Weiter
zu bitten. Weiter zu träumen. Manchmal klang die Musik nachdenklich. Manchmal flehentlich.
Manchmal wütend. Manchmal anklagend. Manchmal hoffnungsfroh. Aber niemals klang
die Musik triumphierend.
Vor
den Gedichten, zu Anfang des Abends, war der Text des Propheten Micha (4,1-4)
verlesen worden. Die Gedichte zeigten den brutalen Kontrast zwischen Gottes
Verheißung des Friedens und dem Alltag des Kriegs über die Jahrhunderte hinweg.
Auffällig ist, dass nur einer der neun Dichterinnen
und Dichter auf Gott zu sprechen kommt: „s´ ist Krieg! s´ ist Krieg! O
Gottes Engel wehre, und rede du darein!“ beginnt Matthias Claudius sein Gedicht
mit einem Schrei nach Gott. Ansonsten ist Gott kein Thema. Soll das heißen: Mit
Krieg, mit Gewalt hat Gott nichts zu tun? Und weiter: Das ist allein Eure
Sache, Eure Schuld, Ihr Menschen?
Die
Organisatoren des Abends, Vera Gedon, Elisabeth Tocha-Ring und Dr. Rupert
Habersetzer, ließen die Gäste mit diesen Fragen nicht allein. Nach den
Gedichten gaben die Seligpreisungen der
Bergpredigt (Mt 5,3-10) Antwort auf Michas Prophetie und zeigten einen Weg
aus der Resignation, die einen angesichts der Brutalität der Schreie in den
Gedichten befallen konnte. Ja, Schwerter können zu Pflugscharen werden, wenn
sich die Menschen ändern, in ihrer inneren Haltung und in ihrem äußeren
Verhalten. Wenn sie arm vor Gott werden. Über die Welt trauern und sich nicht
mit ihrem desolaten Zustand zufriedengeben, sondern nach Gerechtigkeit streben,
Barmherzigkeit üben. Wenn sie ein reines Herz haben und nicht nach Tapferkeit
vor dem Feind, nach Uniformen und Auszeichnungen gieren. Dann und nur dann
können sie Frieden stiften. So sagt es Jesu Bergpredigt.
Ganz
am Schluss dieses meditativen, eindrucksvollen Abends spielte das Keller-Quintett eine Motette von Heinrich Schütz:
„Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott zu unsren Zeiten. Es ist doch ja
kein andrer nicht, der für uns könnte streiten, denn du unser Gott, alleine.“
Gottes Antwort aber ist in der Bergpredigt gegeben: Es ist der Mensch, der
Kriege vom Zaum bricht. Es ist der Mensch, der die Gewalt beenden kann. Die
Motette will aber zeigen, dass er dazu Gott braucht.
Wie
aber kann der Mensch Gott erreichen? Indem er nach dem Frieden strebt und indem
er betet. Das Gebet um Frieden war
denn auch Teil der FriedensDekade 2018 in Fürstenfeldbruck. An drei Abenden
standen Mitglieder des Christenrats mit einem Transparent „FriedensDekade.
Schwerter zu Pflugscharen“ jeweils eine gute Viertelstunde vor der Kirche St.
Leonhard. Sie lasen biblische Texte, beteten Psalmen und das Vater unser, sie
sangen religiöse Lieder. Große Aufmerksamkeit der Passanten erregten sie nicht.
Und sie blieben ein kleines Häuflein, an einem Tag fünf, dann neun, dann acht.
Wie aber heißt es in der Bibel: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt
sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ (Mt 18,20) Auch wenn der Aufruf zum
Friedensgebet in Fürstenfeldbruck wenig gehört wurde, woanders wird er
angekommen sein.
Dr. Bernd Hein